Meine Damen und Herren: Ich freue mich, Sie heute mit einer Premiere beglücken zu dürfen. Vor einigen Jahren habe ich eine kleine Geschichte geschrieben, die ich nie veröffentlicht habe – und mir danach in den Kopf gesetzt, daraus einen humorvollen, leicht sarkastischen Roman zu machen. Ich wollte die Ideen weiterspinnen. Das Thema sollte der Familienzusammenhalt sein. Rund 30 Seiten habe ich schon geschafft, dann hatte ich leider keine Zeit mehr, das Ziel weiterzuverfolgen. Ich hoffe aber, dass ich mir diesen Traum noch erfüllen kann. Jedenfalls gibt es hier nun einen kleinen Einblick in das, was meine Leser erwarten könnte. Diese Kurzgeschichte gilt gleichzeitig als Arbeitsbeispiel für die Texterstellung zu Weihnachten. Vielleicht brauchen Sie auch mal einen derartigen Text? Lassen Sie es mich wissen! 🙂
Schlangenweihnacht
Eine Kurzgeschichte von Stephanie Pauli / SLP Texting
Lange hast du gebraucht, um deine Entscheidung zu treffen, du hast mit dir gehadert und gekämpft. Aber dieses Jahr ist es soweit. Bei dem großen Familienessen am ersten Weihnachtsfeiertag willst du es verkünden. Du bist ein pubertierender Rebell und deiner Meinung nach schließlich mittlerweile alt genug, um selbst zu bestimmen, was du möchtest und was nicht. Zwischen Vor- und Hauptspeise soll es sein, wenn deine Onkels und Tanten noch nüchtern genug sind, um die Tragweite deiner Nachricht zu verstehen. Alle sollen wissen, dass du es ernst meinst.
Mit deinem süßen Geheimnis im Herzen ist dir in diesem Jahr ausnahmsweise mal festlich zumute, du erfreust dich an den weihnachtlichen Dekorationen und bist sogar fast soweit, aus lauter Freude selbst Plätzchen zu backen. Kurz vor dem 23. Dezember wird dir dann doch etwas mulmig und ein verrücktes Gefühl in deiner Magengrube übermannt dich. Solltest du dich tatsächlich selbst bestrafen, nur weil du einmal in deinem Leben etwas frei entscheiden möchtest? Du grübelst über den genauen Wortlaut, in dem du der gesamten Verwandtschaft deinen Entschluss mitteilen möchtest. Für sie vielleicht eine unfrohe Botschaft. Eine lange Ansprache kommt wohl nicht in Frage, denn deine Sippe pflegt natürlich ständig dazwischen zu reden und einen Höllenlärm zu veranstalten.
Plötzlich fällt dir die passende Formulierung ein: „Nicht mit mir! Nächstes Jahr habe ich vor, Weihnachten mit meiner Clique zu verbringen!“ So oder so ähnlich sollen die Worte sein. Knapp und entgültig. Du freust dich über deinen Erfolg – und verdrängst, dass das Damoklesschwert bereits über dir schwebt.
Dieses Jahr soll Weihnachten bei dir daheim mit noch mehr Leuten gefeiert werden als sonst. 30 Onkels und Tanten, Cousins, Cousinen mit Partnern, Kindern und so weiter und so fort sind eingeladen. Es wird also proppenvoll. Allein schon der Gedanke, sich vor der eigenen Toilette in eine Schlange wie an der Supermarktkasse einreihen zu müssen, lässt dich erschaudern. Und dann stinkt alles wieder nach alte-Leute-Urin. Es kommt dir aber nicht einmal auf den eventuell starken Druck auf deiner Blase an, sondern darauf, dass das Klo an diesem Tag der einzige Zufluchtsort für dich ist, an dem du einmal einen klitzekleinen Moment Ruhe vor der Meute hast. Keiner erzählt dir in dieser Zeit von seinem ausbleibenden Stuhlgang oder dem immer größer werdenden Pigmentfleck, der sich in deinen Augen absolut nicht verändert hat. Keiner erwartet von dir, dass du für den unglaublichen Lohn von 50 Cent die gelbliche Hornhaut an der Ferse seines schweißigen Fußes wegschrubbst. Du musst dir nicht einmal anhören, dass die Nachbarin nur drei Unterhosen anstatt zwei gewaschen und aufgehängt hat, während irgendeiner deiner Tischnachbarn fröhlich anfängt zu rülpsen. An diesem Örtchen bekommst du auch nicht mit, wie dein kleiner Großcousin alles in deinem Zimmer mit seinen angesabberten Fingern angrabscht. Zu allem Unglück muss er später noch auf deinem Bett gewickelt werden. Doch dieses Ruhemonopol musst du leider spätestens dann wieder räumen, wenn dein Onkel gegen die Türe hämmert und dir in freundlichen Worten klar macht, dass auch noch andere „mal schiffen“ müssen.
Der Tag des Familienessens ist gekommen. Es klingelt an der Türe, die Bagage trifft ein. Mit fröhlich aufgesetzter Miene begrüßt du alle Gäste, erträgst schleimige Küsschen links, rechts und dann wieder links sowie den beliebten Tantenkniff in deine Backe. Sogar die klebrige Hand des unhygienischen kleinen Großcousins in deinem frisch gewaschenen Haar lässt du über dich ergehen, denn du bist dir sicher: Es ist das letzte Mal. Brav nimmst du alle Mäntel entgegen, von denen manche einen wahrhaft sonderlichen Look aufweisen, und hängst sie an der Garderobe auf.
Nach dem Aperitif geht es zur Vorspeise. Jetzt musst du natürlich wieder leiden und Fragen über deinen Beziehungsstand beantworten, denn der Schwager der Nachbarin deiner Oma hat dich neulich mit einem optisch gewöhnungsbedürftigen Typen in einem Café gesehen. Wie kannst du es nur wagen, mit einem langhaarigen Bombenleger auszugehen? Ist er denn Alleinerbe, hat seine Familie Besitzschaften, wie sieht der Kontostand aus? Die Meute glaubt nicht, dass so einer der richtige Umgang für dich ist. Danach musst du den entsetzten Tanten erklären, warum du eigentlich auf einmal rauchst – obwohl sie dich das in jedem Jahr fragen. Und ob du einen Push-Up-BH trägst oder wie dir doch auf einmal so viel gewachsen ist, sollst du auch erläutern. Sie tadeln dich für deine Frisur und wollen wissen, ob dein Zyklus auch regelmäßig ist. Oder nimmst du etwa schon die Pille? Ganz nebenbei: Tante Sieglinde mochte es in deinem Alter übrigens, wenn ihr Brausepulver aus dem Bauchnabel geleckt wurde.
Mit einem scheinheiligen Grinsen leerst du deinen Teller und überlegst, ob vielleicht jetzt der Zeitpunkt gekommen ist. Aber erst musst du noch schnell den neuesten Tratsch hören, der kundgetan wird. Schon steht auch schon die Weihnachtsgans auf dem Tisch und verbreitet ein unglaublich appetitliches Aroma. Alle bestaunen und loben das Gericht und können es kaum abwarten, ihre Teller voll zu schlichten, um diese dann genüsslich zu leeren und vielleicht noch einen zu nehmen. Wie alle anderen genießt du den Festtagsbraten, weil er gar so gut schmeckt. Zum Nachtisch gibt es Ananas mit Sahne und Schokostreuseln. Die gibt es nur einmal im Jahr, damit sie auch etwas ganz Besonderes bleibt – und wie etwas ganz Besonderes schmeckt sie dann auch. Vorzüglich. Mit vollem Bauch lässt du dich einschließlich Verwandtschaft träge in den Stuhl sinken, musst sogar deinen Hosenknopf öffnen. Eigentlich fühlst du dich doch recht wohl in dem ganzen Trubel. Du reihst dich nach dem Essen in die Schlange zum Klo ein, redest über Gott und die Welt – und kommst dir in der ruhigen Minute auf dem Lokus vor wie eine Schlange. Du hast versagt, du hast nichts gesagt, du hast es nicht einmal versucht. Aber noch ist die Schlacht nicht verloren, jetzt, nachdem du wieder am Tisch bei allen sitzt, wirst du es ihnen sagen! Du stehst auf, klopfst an das Glas, holst tief Luft und sagst: „Es war wunderschön, doch nächstes Jahr werde ich nicht dabei sein!“ – „Zünde doch noch schnell die Kerzen an, wenn du schon stehst!“ bekommst du nur zu hören, bevor 30 Verwandte lauthals anfangen zu singen. Wieder und wieder erzählst du, dass du nächstes Weihnachten nicht dabei sein wirst. Deine Stimme wird dabei immer leiser. Es ist wie eh und je – keiner hört zu, wenn es etwas wirklich Wichtiges zu sagen gibt. Dein schwerhöriger Onkel links neben dir schenkt dir einen Likör ein, während dich die Tante rechts von dir mit weihnachtlichen Süßigkeiten stopft. Resignierend gibst du auf – du wirst im nächsten Jahr wohl doch wieder dabei sein, denn eigentlich haben sie dich doch alle um ihren Finger gewickelt. Und das, obwohl sie dich in den besinnlichen Tagen um die Besinnung bringen…
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Quelle Bilder:
Titelbild: Pixabay
Zentangle-Bilder: Stephanie Pauli